Freitag, 8. Juni 2018

Up to Skiddaw! 800 Höhenmeter auf 3 km (mit Video)

und noch lange nicht oben
Da sitzt man nun mitten im Lake District (na gut, Keswick ist schon in den Northern Lakes) und weiß gar nicht so wirklich, welchen der unzähligen Gipfel und der wunderschönen Wanderwege man als erstes erstürmen soll. In einer Facebook-Gruppe lernte ich jemanden kennen, der ebenfalls in Coniston am Start war und in Keswick arbeitet. Wir haben lange über mögliche Routen über Catbells gesprochen, aber dann hat sich noch ein anderer eingeschaltet und mir Skiddaw als leichten, schnellen Lauf empfohlen. Für den Anfang war das vielleicht keine schlechte Idee. Dass mir aber so langsam die Zeit wegrennt und ich irgendwann wieder nach Deutschland zurück muss, habe ich irgendwie nicht bedacht. Außerdem hätte ich nie gedacht, dass ich nach dem Lauf mit so viel Muskelkater zu kämpfen habe.

Ich konnte den Gipfel schon von der Schnellstraße aus sehen und es sah echt genial aus, wie sich die Wolken langsam zwischen den beiden Gipfeln von Skiddaw und Skiddaw Little Man schoben. Auf meiner Seite war es absolut klar, aber es schien so, als wenn es auf der anderen Seite doch schon ein paar Wolken gab. Ich hatte auch etwas Angst da oben vor lauter Wolken nichts zu sehen, aber eigentlich waren die Gipfel von hier unten aus gesehen absolut wolkenfrei.

Kletterpassage
und immer weiter
Auf dem langen, langen Weg nach oben hatte ich genug Zeit um über alles mögliche zu schwadronieren. Zum Beispiel, dass ich mir jetzt angewöhnt habe, rohen Ingwer zu verputzen. Zumindest wenn ich das Gefühl habe krank zu werden, greife ich demnächst immer wieder auf dieses Wundermittel zurück. Oder dass es vielleicht ein Fehler war, sich hier bei so vielen Wettkämpfen anzumelden. Diese haben nämlich viel zu wenige Höhenmeter und so komme ich viel zu selten zu dem Genuss eines solchen Skyraces. Oder dass die Läufe auf Madeira dagegen ein Kinderspiel gewesen sind. Deswegen ist das Video auch so lang geworden und ich musste die Qualität etwas drosseln, sonst dauert das Konvertieren und Uploaden hier ewig.

endlich oben
Ich hatte meinen Parkplatz an der Strecke so gewählt, dass ich nicht gleich steil nach oben kraxeln musste. So lag er in mitten eines Downhills, welcher mir da schon nicht gefallen hatte. Eine geteerte Straße mit einem Gefälle von 15 bis 20%. Der Weg hinunter zum Fuß des Berges ging noch, später dann aber die Straße zum Auto hin hat absolut keinen Spaß gemacht.

Hier oben alleine picknicken, wie geil!
Zunächst musste man ein Tor passieren, welches die Schafe hier in ihrem Bereich hält. Die ersten Höhenmeter waren sogar noch laufbar, aber bereits nach wenigen Metern Powerhiking habe ich meine leichte Jacke ausgezogen - mir wurde da verdammt schnell warm. Für den reinen Aufstieg über 3 km brauchte ich ca. 45 min, aber ich habe zwischendurch noch einen Abstecher auf einen anderen Gipfel gemacht, welcher nicht zur eigentlichen Route gehört. Der Weg dorthin sah aber recht gut laufbar aus, was er dann auch war, und es war nur ein Umweg von ca. 1 km. Dort sah ich auch einen recht beeindruckenden Grat, welchen ich zwar gerne gelaufen wäre, aber ich wollte die Strecke nicht noch weiter in die Länge ziehen. So wurden aus den 3 km dann doch 4, bis ich vom Fuß des Berges auf dessen Gipfel ankam.

Pfad von Skiddaw zum Skiddaw Little Man
Schon die letzten Höhenmeter haben mir den Atem verschlagen. Da sitzt man zu Hause und träumt davon, endlich mal so einen Berg zu erlaufen, und dann macht man es auf einmal. Ich hatte wirklich Bedenken, wie das sein wird und ob ich mich da oben nicht verlaufen werde oder Ähnliches, aber es ging tatsächlich richtig gut. Der Aufstieg hätte auch gerne noch ein paar Grad steiler, so dass auch öfters mal die Hände zum Einsatz kommen, und ein paar Meter höher sein können. So war ich also gerade an einem der steilsten Anstiege kurz vor dem Gipfel und ich konnte die Tränen schon nicht mehr zurückhalten. All die Alpinisten würden das vielleicht mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen, aber für mich waren dieser Moment und die kommenden ein absolutes Highlight in meiner noch recht jungen Trailrunnerkarriere.

Blick vom Skiddaw Little Man auf Keswick
Oben angekommen sah ich dann auch das, was ich anfangs vermutet hatte. Vor dem Lake District war es total bewölkt, die Berge hier bilden eine Art Schutzwall vor dem Wolkenmeer. Das geilste war jedoch, dass ich über den Wolken stand. Hinzu kam, dass ich mich hier oben am nördlichen Ende des Lake Districtes befand und vor mir eine lange, flache Ebene lag. Man konnte sogar erahnen, wo das Meer lag. Ich brach abermals in Tränen aus.

Ich war aber noch nicht ganz oben, ein paar Meter musste ich mir auf der Plattform des Berges noch erlaufen, um endgültig auf den höchsten Punkt des Berges zu gelangen. Leider war ich hier nicht alleine. Ein anderer Wanderer war der erste Mensch, den ich hier oben antraf. Ich hätte mir echt gewünscht, dieses Erlebnis frei und alleine genießen zu können. Davon kann man aber in so einer touristischen Hochburg nur träumen, dann hätte ich wohl noch früher los laufen müssen. Ich bin dann einige Minuten später noch ein paar Meter weiter gelaufen, habe ich mich hinter eine der aufgehäuften Steinmauern gesetzt, die Aussicht genossen und genüsslich einen halben Energieriegel verdrückt. Ich hatte zwar keinen Hunger, aber wenn ich schon hier oben war, dann wollte ich auch picknicken. Außerdem konnte ich hier meinen Gefühlen nochmal freien Lauf lassen. Dieses Gefühl ist einfach unbeschreiblich. Es ist viel weniger der Stolz als die Demut, die in einem so ein Gefühlschaos verursachen. Ich fühlte mich so leicht und frei und man wird sich noch mehr bewusst, was man doch für ein kleiner, mickriger Mensch ist.

und die Wolken waren später auf einmal weg
Irgendwann ging es dann wieder nach unten und wo sich eben noch die Wolken am Berghang getürmt haben, war auf einmal keine Wolke mehr zu sehen. Damit wusste ich auch, dass ich ohne Probleme und mit freier Sicht den Downhill und die weiteren Aussichten genießen konnte. Der erste Downhill hinunter zum Skiddaw Little Man war richtig gut und auch nicht zu steil. Das hat richtig Spaß gemacht, bevor man dann nochmal ca. 40 steile Höhenmeter zum Little Man hinauf musste. Hier sah man dann auch, was einem von Skiddaw wegen des Little Mans dazwischen verborgen blieb: Eine wunderschöne Aussicht nach Keswick und Derwent Water, der See an dem das Städtchen liegt und an dem dieses Wochenende auch das Keswick Mountain Festival stattfindet. Hier hatte ich dann auch eine nette, kurze Unterhaltung mit einem Iren, der gestern zu viel Guinness getrunken hatte, und so langsam kämpfen sich auch weitere Touristen den Berg hinauf.

fast schon wieder unten
Vor dem letzten, ca. 2,5 km langen Downhill zur Straße hinunter hatte ich enormen Respekt, aber ich habe in trotzdem recht schnell und sicher hinter mich gebracht. Das war mit Abstand der härteste Downhill, den ich bisher gelaufen bin. Meine Beine fühlte sich an wie Mus, als ich die kurze, keinen halben Kilometer lange, ebene Strecke zur Straße gelaufen bin. Und jetzt musste ich auch noch über 1 km diese hässliche Straße hinunter zum Auto laufen.

Das war mit Abstand eines der schönsten Erlebnisse, die ich bisher in meiner Laufkarriere hatte. Auch nach meinem ersten Triathlon und meinem ersten Marathon musste ich weinen, aber das war kein Vergleich zu dem, was ich hier gefühlt habe. Ich überlegte mir schon, welchen Berg ich als nächstes in Angriff nehmen werde, ohne zu wissen, dass mich die nächsten Tage erstmal ein Muskelkater beschäftigt.

12,6 km - 1:46 h - 933 Höhenmeter

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen