Mittwoch, 15. Mai 2019

Limone Skyrace - mein bisher härtester Lauf (mit Video)

da geht es irgendwie hoch,
die ersten 1.000 Höhenmeter
schon am zweiten Aufstieg
Gestern die 24 Kilo- mit 1.600 Höhenmeter überstanden, dann werde ich die 23 Kilo- mit 2.100 Höhenmeter - laut Homepage des Veranstalters - wohl auch überstehen. Am Ende waren es aber 29 Kilo- mit 2.600 Höhenmeter - laut Strava. Die paar Meter mehr haben den Kohl aber wahrscheinlich auch nicht fett gemacht, aber lest selber.

Wir planten am Frühstückstisch den Tag. Meine Freunde wollten erst Tennis spielen und mich dann in Limone absetzen. Ich habe zunächst zugestimmt und dann nochmal alles Revue passieren lassen. Ich wollte doch lieber etwas früher los, da man ja nie weiß, was auf so einer Tour alles dazwischen kommen kann, und so setzten sie mich erst in Limone ab und spielten anschließend Tennis.

Ich war vor dem Start schon etwas nervös und das, obwohl es nur ein Sololauf werden sollte. Das eigentliche Rennen selber findet ja erst im Oktober statt. Ich habe aber so viel Gutes über die Strecke gehört und die Felswand, welche sich vor mir auftürmte, war atemberaubend. Da soll es also irgendwie nach oben gehen und das noch halbwegs sicher?

auf dem Cima di Mughera
Zunächst einmal lief ich circa 2 km am See entlang, zumindest da, wo es sich laufen ließ. Die Altstadt von Limone war mit Touristen überfüllt und so musste ich mich oft erstmal in die Menschenschlangen einordnen. Anschließend ging es über die Hauptstraße direkt in den Berg. Ab hier hieß es dann die ersten 1.000 Höhen- auf 4 Kilometer zurückzulegen, was aber erstaunlich sicher und gut funktionierte. Ich überholte an der Felswand auf allen Vieren kraxelnd ein Wandererpärchen, welches mir ihren Respekt zollte, welchen ich ihnen aber nur zurückgeben konnte.

der Monte Carone liegt in den Wolken
auf dem Monte Carone
Der Weg war ziemlich schwierig, da er sehr schmal war und fast nur aus losem Geröll bestand. Trotzdem fühlte ich mich sehr sicher auf den Beinen und genoss mit jedem Höhenmeter den Ausblick auf den See und Limone mehr. Eigentlich befand ich mich die ganze Zeit auf der offiziellen Wettkampfstrecke, welche ich mir auf der Veranstalterseite herunterlud, nur gelegentlich verführte mich ein Aussichtspunkt zum Abschweifen.

Unterhalb vom Monte Guil ging es dann das erste Mal, es waren fast 2 km, flach am Berg entlang, bevor ich zu einer ausgedehnten Schleife kam. Da ich mich noch recht fit fühlte, überlegte ich nicht lange und nahm diese in Angriff. Ich wollte immerhin die komplette Wettkampfstrecke laufen und nicht irgendwelche Abkürzungen nehmen.

Es folgte ein circa 2 km langer Downhill, welchen ich überraschend schnell und sicher hinunterbretterte. Das hat so viel Spaß gemacht, dass mich das die Anstrengung komplett vergessen ließ. Nachdem es wieder circa 1 km flach am Berg entlang ging, kam der Aufstieg zurück zum Ausganspunkt der Schleife. Wieder warteten ganze 500 Höhenmeter auf einer Strecke von fast 2 km darauf bezwungen zu werden. Hier fing ich dann auch das erste Mal an richtig mit mir zu hadern und zu kämpfen. Ich benötigte circa 40 Minuten für den Aufstieg und oben am Cima di Mughera machte ich dann meine erste Pause und aß ein Brötchen.

Der anschließende Weg zum Aufstieg zum Monte Carone war nicht ganz so steil und so konnte ich ihn die meiste Zeit locker und teilweise auch recht flott durchlaufen. Ich war überrascht, wie gut mir das Laufen nach den Strapazen doch fiel. Nun stand ich also da, unterhalb des Monte Carone, und überlag, ob ich diesen nicht auslassen sollte. Wie auch schon zuvor war mein Ehrgeiz, die komplette Strecke bewältigen zu wollen, größer als meine Erschöpfung. Anstatt den einen Kilometer unterhalb des Gipfels entlang zu laufen, nahm ich diesen und die 4 km (2 km steil bergauf und 2 km steil bergab) also in Angriff. Wieder brauchte ich für den Aufstieg eine ganze halbe Stunde, bevor ich am Gipfelkreuz ein Foccacia verdrückte. Der Abstieg schlug mit weiteren 15 min zu buche, da dieser zum Laufen oft zu steil war.

da geht es noch drüber
Spätestens beim nächsten Aufstieg folgte dann der Kampf meines Lebens, so was habe ich auf den unzähligen Kilo- und Höhenmetern, die ich bisher zurückgelegt habe, noch nicht erlebt. Sobald es steiler bergauf ging, schossen mein Puls und meine Atemfrequenz in ungeahnte Höhen. Ich ging ganz langsam den Berg hinauf, aber es wurde nicht besser. Auf jedem der noch anstehenden zwei Gipfel (u. a. Monte Traversole) musste ich mich setzen und eine längere Pause einlegen, um Puls und Atem wieder in normale Gefilde zu bekommen. Dabei waren die Steigungen und auch die Distanzen zwischen den Pausen gar nicht so lang. Sobald es aber wieder etwas flacher wurde oder bergab ging, war absolut nichts mehr davon zu spüren. Ich konnte wieder rennen wie ein Pferd, als wäre ich gerade erst gestartet.

Für die letzten 8 km benötigte ich trotzdem noch circa 80 Minuten, da der Abstieg teilweise gefährlich steil war. Sogar ein Gefahrenhinweis stand an dem Downhill die letzten 4 km nach Limone hinunter, auf 2 km ging es hier 600 Höhenmeter hinunter. Ich nahm aber auch noch einen kleinen Abstecher zu einer Quelle in Kauf, auch wenn meine Verpflegung für die letzten Kilometer locker reichen sollte. Hier ein weiteres Phänomen, was ich so noch nicht kannte: Alles, was ich an Flüssigkeit oben in mich hineinschüttete, wollte gefühlt ohne Umwege direkt wieder unten raus.

frisches Quellwasser
Unten angekommen gönnte ich mir in einer kleinen Bar erstmal eine Cola, bevor es die letzten 1,5 km entlang eines Bachlaufes und des Gardasees hinunter zum Startpunkt ging. Die letzten hundert Meter am Gardasee entlang kamen mir schon wieder die Tränen. Diese Strapazen überstanden zu haben gaben mir das gleiche Gefühl, als wenn ich gerade durch eine jubelnden Menschenmenge durch das Ziel laufen würde.

Auf dem Downhill am Bach war ich unter 5 min/km unterwegs und auch die letzten paar hundert Meter am Hafen lief ich um die 5 min/km. Von den Strapazen an den letzten Aufstiegen war, wie schon die ganze Zeit über, absolut gar nichts mehr zu spüren. Das alles lässt mich noch mehr über die Probleme rätseln, welche zeitweise unüberwindbar schienen.

auf dem Abstieg nach Limone noch
einen Bergbewohner angetroffen
Aus angedachten 5 Stunden wurden also 6:40. Hätte ich mir die Wettkampfresultate der letzten Jahre mal angeschaut, dann hätte ich mir das gleich denken können. Ich war 5:10 Stunden in Bewegung, alles andere waren Pausen zum Erholen, Auftanken und Aussicht genießen. Ich denke ausgeruht, im Wettkampfmodus und ohne die Abstecher wären 4:45 Stunden locker möglich gewesen. Woher diese enormen Abweichungen in Distanz und Höhenmeter im Vergleich zu den offiziellen Angaben des Veranstalters kommen, ist mir auch ein Rätsel. Wenn ich mir den Verlauf auf Strava und Garmin so anschaue, fallen mir keine GPS-Aussetzer aus.

Vielleicht sollte ich auch noch ein paar mehr Worte zur Strecke verlieren. Das war mit Abstand der herausforderndste, krasseste, anstrengendste, geilste, härteste und schönste Lauf meiner noch recht jungen Trailrunner-Karriere. Die Ausblicke, die Trails, die Aufstiege, die Downhills waren wirklich genial, auch wenn die Downhills für mich oft einen Ticken zu steil und die Aufstiege zu flach waren. Einen langen, ausgedehnten, laufbaren Downhill, wie er zum Beispiel auf der ersten Hälfte der Schleife war, gab es leider viel zu selten. Und ich klettere auch lieber auf allen Vieren einen Berg hinauf, anstatt ihn mühselig im Speedhiking-Modus zu bezwingen.

der Monte Baldo auf der anderen Küstenseite
28,5 km - 2598 Höhenmeter - 5:10 Std.


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