Freitag, 25. Oktober 2019

Support auf der Ramsay Round (und ein bisschen Bob Graham)

auf dem Weg zum Skiddaw
Ich musste nochmal ein paar Stunden arbeiten, bevor es in den ICE Richtung Hamburg ging. Auf dem Weg dorthin stieg Frank Kleinsorg in Göttingen zu und Ole Evers trafen wir dann mit circa einstündiger Verspätung in Hamburg. Auf uns wartete ein geniales Abenteuer in Großbritannien, ich durfte sowohl auf der Bob Graham (obwohl man hier nicht wirklich von Support reden konnte, ich war eher Mitläufer) als auch auf der Charlie Ramsay Round supporten. Geplant war eigentlich nur ein Aufenthalt in Fort William (Schottland), aber unsere Kontaktperson vor Ort hatte eine Terminüberschneidung und so ging es von Manchester aus zunächst mit Bus und Bahn nach Keswick in den englischen Lake District. Wir stiegen spontan in ein Hostel ab und ließen den Zeltplatz, auf dem der Rest der Supporter für Tom waren, links liegen, da wir uns vor der Charlie Ramsay Round in ein gemütliches Bett legen wollten.

Skiddaw Little Man im Schatten des Skiddaw
In Keswick begleiteten wir Tom auf den ersten Kilometern seiner Bob Graham Round. Paul hatte den Kontakt hergestellt, so dass wir nicht ganz untätig die ersten zwei Tage in England verbrachten. Wir trafen Tom Lynch und seine Truppe kurz vor seiner Runde an der Back Bar, bevor es zum Startpunkt an der Moot Hall ging. An der Bar übergab ich einem seiner Supporter noch ein kleines Geschenk in Form von Salomon-Buffs und -Soft Cups. Das Wetter war absolut perfekt, gerade das ist hier ja immer ein Glücksspiel und mit eine der größten Herausforderungen auf der Runde. Der Herausforderung von Regen und Wind musste er sich bei seiner Runde schon mal nicht stellen. Sein Zeitplan ging von 22 Stunden aus, um die kompletten 42 Gipfel mit circa 100 Kilo- und über 8000 Höhenmeter zu bewältigen. Bereits auf den ersten Kilometern hinauf zum Skiddaw erlief er sich einen Vorsprung von 5 Minuten. Wir mussten hier schon wieder umdrehen, da wir uns vor unserem eigenen Versuch in den schottischen Highlands nicht zu sehr verausgaben wollten. Wir liefen aber nicht den gleichen Weg zurück, sondern nahmen einen anderen Abstieg, den ich vor gut einem Jahr bei meinem Lake District-Besuch als Aufstieg zum Skiddaw hinauf gelaufen bin. Tom beendete seine Runde nach hervorragenden 20:09 Stunden.

Blick auf den Loch Leven
Am nächsten Tag holte Paul uns dann ab und es ging Richtung Fort William in die westlichen Highlands. Nach fast 5 Stunden Autofahrt erledigten wir erstmal unseren Großeinkauf und zogen dann ins Hostel ein. Um 3 Uhr morgens hieß es schon wieder aufstehen, da die Jungs um 4 Uhr starten wollten. Ich wollte sie zunächst die ersten Kilometer begleiten, entschied mich dann aber dagegen. Ich musste noch etwas schlafen nachholen, weil die Nacht echt viel zu kurz war, und auch bald schon wieder alles vorbereiten und los. Jeder hat zwei Versorgungstüten gepackt, welche ich dann jeweils zu den beiden Checkpoints mitbringen musste. Der Rucksack für den ersten Checkpoint war schon so gut wie fertig und für den zweiten müsste ich nach dem ersten halt nochmal umpacken. Die Sachen im Kühlschrank durfte ich nicht vergessen, aber auch das war alles fein säuberlich beschriftet.

Nachdem ich noch etwas schlafen konnte, fuhr ich mit Paul’s Auto zum Parkplatz „unweit“ des ersten Checkpoints. Da dieser Mitten im Nirgendwo war, musste ich erstmal über 10 km mit einem circa 10 kg schweren Rucksack bewältigen. Dass die Jungs weit hinter ihrem Zeitplan zurücklagen, spielte mir in die Karten, denn ich hätte mir den Weg dorthin nicht so mühsam vorgestellt. Auf den ersten 2 km hieß es gleich mal 350 Höhenmeter auf sehr technischem Untergrund zu bewältigen und ich ging davon aus, dass es die ganze Zeit flach am Bach entlang ginge. Der Lauf war zwar schwierig, aber wunderschön. Nach einem 1 km langen Downhill ging es dann die meiste Zeit flach in Richtung einer kleinen Holzbrücke, wo ich dann bestimmt 2 Stunden gewartet habe. In der Zeit bin ich die Hügel auf der Strecke der Charles Ramsay Round rauf und runter gerannt und habe das erste Mal gemerkt, was genau das Fell Running überhaupt aus- und so besonders macht. Keine Wege, nur knöchel- bis kniehohes Gras und sumpfiges Gelände – und das zerrt richtig an der Kondition.

kurze Rast am Loch Eilde Moor
Langsam fing ich schon an mir Sorgen zu machen, denn die Jungs waren echt sehr weit hinter ihrem Zeitplan und in der Gegend hier hat man keinen Handyempfang. Ich entschloss mich einfach mal der Straße noch ein paar hundert Meter zu folgen und als wäre es Eingebung gewesen, sprang Ole plötzlich vor mir aus dem Sumpf. Er war leicht vom Kurs abgekommen und wäre ich nicht spontan die Straße entlang gelaufen, dann hätten wir uns vielleicht sogar verpasst. Wie gesagt lag der Checkpoint die Straße runter und er war bestimmt 200 m daran vorbei gelaufen. Ich wollte noch auf Paul und Frank warten, allerdings erklärte Ole mir, dass die schon ausgestiegen sind. An Paul nagt wohl doch schon so langsam das Alter und der Schlafmangel der letzten Nächte und Frank hatte sich kurz vor der Tour verletzt. Leider waren die Schmerzen zu groß und so stieg er mit Paul schon ein paar Kilometer vorher den Berg ab in Richtung Parkplatz. Ole meinte, wir würden uns auf der Strecke an einem der Seen treffen, allerdings warteten die schon am Auto auf mich. Ole wollte das Teil ganz alleine weiter bis zum bitteren Ende rocken. Seine Navigationsfähigkeiten ließen mich nicht zweifeln, diese Tortur durch die Berge so ganz alleine und bei dem enormen Zeitrückstand hingegen bereiteten mir doch etwas Sorge. Ole war aber wild entschlossen und so ließ ich ihn nach einer kurzen Pause weiterziehen.

aufgenommen von Ole Evers während seiner Runde
Zum zweiten und letzten Checkpoint reiste ich dann also nicht alleine, sondern Paul und Frank waren stets an meiner Seite. Der Checkpoint befand sich an einer kleinen Staumauer, diesmal nur etwas über 1 km vom Parkplatz entfernt. Auch wenn Ole langsamer war als geplant, so verlor er nicht noch mehr Zeit. Trotzdem mussten wir auf ihn warten und ich entschloss mich mal wieder ihm entgegenzulaufen. Also lief ich vom Loch Treig auf 240 Höhenmetern in Richtung des Gipfels Stob Coire Sgriodain auf über 970 Höhenmetern. Bis ganz auf den Gipfel bin ich dann aber doch nicht gelaufen, bei 830 Höhenmetern war für mich Schluss. Ich hatte Angst Ole zu verpassen, da auch mein Handyakku mit GPS und der Karte den Geist aufgegeben hatte und ich mir nicht mehr 100%ig sicher war, ob ich noch auf Kurs war. Ich stieg dann also einige Zeit später wieder ab und lief Frank und Paul entgegen. Kaum waren wir auf einer Höhe, hörte ich Musik hinter mir, aber ich hatte keine Ahnung, woher diese kam. Dann tauchte Ole plötzlich hinter einem der Hügel auf und wir waren echt erleichtert.

Auch wenn er die 24-Stunden-Marke nicht mehr erreichen konnte, so wollte er die kompletten knapp 100 km trotzdem zu ende laufen. Das letzte Leg, also die letzte Etappe, war nochmal mit 9-10 Stunden angesetzt und so schliefen wir bereits, als irgendwann mitten in der Nacht das Handy klingelte. Ole musste abbrechen, er hat es leider nicht geschafft. Es gab einen Wetterumschwung und bei dem Sturm alleine auf den höchsten Gipfeln Großbritanniens unterwegs zu sein wäre sicherlich keine gute Idee gewesen. So zogen Frank und Paul los um Ole zu suchen, denn auch er musste von dort oben erstmal wieder einige Kilometer hinab ins Tal steigen. Auch wenn mich wirklich ein schlechtes Gewissen plagte, dass ich mich nicht anschloss, so war ich doch froh, dass sie nichts dagegen hatten und ich weiterschlafen durfte. Ich war echt ziemlich fix und fertig, obwohl ich von allen noch am wenigsten geleistet habe.

Laufleistung an diesem Tag:

30,73 km - 1380 Höhenmeter - 4:45 Std.
(davon 20 km mit schwerem Rucksack)

Bob Graham Round:

Charles Ramsay Round: