Montag, 10. September 2018

bei meinem ersten Ultratrail gleich mal 18. geworden

Streckenprofil
Als ich am Freitag morgen aus der Nachtschicht gekommen bin, konnte ich gerade mal 6 Stunden schlafen, bis es ans Koffer packen ging. Um 17 Uhr wollte ich ja schon zur Pastaparty in Suhl sein und dem anschließenden Streckenbriefing beiwohnen. Die Autobahn ist freitagnachmittags natürlich immer ganz gut gefüllt, aber bis kurz vor Suhl lief es ohne größere Probleme. Dann hatten wir aber plötzlich eine Baustelle vor uns, auf der die Autobahn einspurig wurde. Auf der Gegenfahrbahn stand sogar ein Krankenwagen auf Einsatzfahrt, aber auch für ihn ging es nicht weiter. Trotz dieser Verzögerung kamen wir um kurz nach 5 an und so konnte ich mir doch noch meine Portion Nudeln abholen. Wirklich lecker war diese zwar nicht, aber gegessen wurde sie trotzdem. Meine Freundin hat mir ihre Portion auch noch gegeben, weil sie sie nicht essen wollte. Damit hatte ich dann auch genug Carboloading betrieben.

diese Skipiste ging es hoch
Von dem anschließenden Briefing habe ich im Allgemeinen etwas mehr erwartet, aber eigentlich ist es ja nichts anderes als ein etwas längerer Marathon. Es war mein erster Ultratrail und somit auch mein erstes Briefing, von daher wusste ich absolut nicht, was auf mich zukommt. Nach 15 Minuten war der ganze Spuk (der Organisator hat sich auf die Treppe gestellt und mit dem Mikrofon ein bisschen was erzählt) schon wieder vorbei und wir wollten uns schon auf den Weg in Richtung Unterkunft machen. 45 Minuten später sollte zwar noch ein ganz interessanter Vortrag (Oliver und Frauke Stoll mit ihrem Buch "Einmal war ich in Biel") stattfinden, aber so lange warten wollten wir doch nicht. Dann trafen wir aber noch jemanden aus Kassel, mit dem wir uns länger unterhalten haben. So konnten wir dann am Ende doch noch den interessanten und guten Vortrag besuchen. Meine Freundin hat sich, in der Hoffnung mich und meine Leidenschaft besser verstehen zu können, auch das Buch gekauft, welches sie am nächsten Tag, während sie auf mich gewartet hat, ziemlich schnell an einem Stück durchgelesen hat. Auch ich habe es bereits zu 2/3 gelesen und beim Lesen der Zeilen lief immer mal wieder ein Tränchen die Wangen runter. Ich kann diese Emotionen nun mal sehr gut nachvollziehen.

Lichtschauspiel im Thüringer Wald
Wie schon geahnt, konnte ich die Nacht vor meinem großen Lauf nicht wirklich gut schlafen. Ich bin um zehn ins Bett und musste um fünf schon wieder raus. Um 7 Uhr war Start und ich musste ja noch eine Kleinigkeit frühstücken, meine Sachen (gesalzenes Wasser, getrocknete Datteln, Cliff Bars, Faltbecher, Erste Hilfe-Set, Startnummernbändchen, Aktivbandage, Powerbar...) ein hundertstes Mal durchgehen, 30 Minuten fahren und ein paar Minuten vorher da sein. Obwohl ich mich nicht wirklich nervös gefühlt habe, habe ich im Bett mein Herz verdammt laut schlagen hören. Wirklich geschlafen habe ich vielleicht nur 1-2 Stunden. Das war ich aber von anderen Wettkämpfen schon gewohnt und so machte ich mir darum keinen großen Kopf. Vor dem Start habe ich mir dann noch schnell einen Kaffee gegönnt, der auch als Abführmittel dienen sollte, und war nochmal auf dem Klo.

die steilste Skipiste Thüringens und das ist nur der Anfang
Beim Start habe ich gleich mal richtig Gas gegeben, aber nur, weil ich auf meiner GoPro mal das gesamte Starterfeld hinter mir haben wollte. Auf den ersten 100 m war ich also noch in den Top 10, habe mich dann aber ziemlich schnell fallen lassen. Ich glaube nach circa 6 km (02:12) bin ich dann auch schon das erste Mal in einen längeren Powerhike übergegangen. Ich habe von vielen Läufern gehört, dass man so ein Rennen einfach durchlaufen sollte, aber dafür bin ich noch nicht bereit. Ich ging lieber auf Nummer sicher um am Ende nicht nicht ins Ziel zu kommen. Die Steigungen, die ich gegangen bin, sind aber auch alle anderen Läufer, zumindest die in meinem Umfeld, gegangen. Oftmals haderte ich schon mit mir, dass ich die ein oder andere Steigung nicht gelaufen bin und das, obwohl erst wenige Kilometer geschafft waren. Allerdings war ich gegen Ende des Rennens auch immer wieder erstaunt darüber, dass ich die ein oder andere Steigung noch laufen konnte, obwohl schon so viele Kilometer geschafft waren.

ja, da ging es runter
Nach etwa 7,3 km und kurz vor der ersten Verpflegungsstation (04:34) verpasste ich eine Abzweigung (04:08) und bin erstmal weiter bergab geschossen. Zum Glück bemerkte ich bereits nach circa 100 m, dass keine Wegmarkierung mehr zu sehen war. Ich stoppte, schaute mich um und schon kam ein anderer Läufer den Berg hoch, dem wohl das selbe passiert ist. Er meinte, dass das schon das dritte Mal war, dass er sich verlaufen hat, und später erfuhr ich, dass diese Abzweigung noch sehr viel mehr Läufer verpasst hatten. Auch ich hatte immer wieder Sorge, dass ich mich verlaufen haben oder es mir passieren könnte. Ich konzentriere mich insbesondere bei Downhills nämlich extrem auf den Boden, um nicht zu stolpern oder wieder umzuknicken, da habe ich keinen Blick für irgendwelche Markierungen, die in den Bäumen hängen. Es gab zwar auch Markierungen auf dem Boden, aber halt nicht immer. Trotzdem blieb es nur bei diesem einen kleinen Abbiegefehler meinerseits. Toi, toi, toi!

Die Strecke ging größtenteils durch den Wald, ich würde sagen zu 90%, nur zweimal musste man durch Suhl durch. (4:47) Die Steigungen waren teilweise echt knackig, insbesondere die Skipiste hoch bei Kilometer 13. (06:50) Ich hatte gar nicht auf dem Schirm, dass wir auch eine Skipiste hoch müssen. Das erfuhr ich unterwegs von einem Einheimischen, der die Strecke auch schon letztes Jahr gelaufen ist. Auch war ich der Meinung, dass wir erst sehr viel später eine Skipiste wieder hinunter müssen. Er klärte mich aber auf, dass die schon bei Kilometer 20 kommt. Wir mussten also die steilste Skipiste Thüringens runter (11:54) und davor hatte ich schon im Vorfeld einen riesen Respekt. Tatsächlich war der Abstieg aber halb so schlimm und nur die ersten Meter an der anschließenden Steigung haben echt weh getan. Zum Glück kam diese auch recht früh, ich denke nach 30 km plus X wäre das noch etwas härter gewesen. Spektakuläre Aussichten gab es trotz der vielen Höhenmeter leider recht wenig, da man wie gesagt fast die ganze Zeit im Wald unterwegs war. Allerdings bot dies einem auch ein echt schönes Lichtschauspiel, als die Sonne den noch diesigen Wald durchflutete. (08:18) Ich denke, wenn ich zu diesem Zeitpunkt physisch schon etwas ausgelaugter wäre, dann wäre das wieder so ein tränenreicher Moment gewesen.

Downhillsegment Skipiste
Auf den Downhills habe ich mal wieder jede Menge Zeit gut gemacht und so überholte ich ich immer wieder mal jemanden. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dort mal überholt wurde. Natürlich musste ich auch hier wieder, wie damals im Lake District, die Stravasegmente überprüfen und siehe da, in den Downhills war ich immer in den Top 10, bei der steilsten Skipiste Thüringens bin ich sogar 4. von 86 "Stravanern", die letztes und dieses Jahr beim Südthüringentrail dabei waren. Bei den Steigungen hingegen lag ich immer so um Platz 20. Nichts Neues für mich, Downhills liegen mir nun mal mehr.

der höchste Punkt der Strecke (Schneekopf)
An den sehr gut bestückten Verpflegungsstationen machte ich keine großen Experimente, nur Salzstangen und Apfelschorle fügte ich meinem sonstigen Repertoire hinzu. Ich habe in einem veganen Sportfachbuch mal gelesen, dass Apfelschorle ein perfektes Getränk sei. Nicht zu viel Zucker, schon mal gar keinen industriellen, und auch sonst sollen da unterstützende Stoffe drin sein. Auf geschmackloses Wasser (das Salz schmeckt man bei körperlicher Anstrengung tatsächlich gar nicht raus) hatte ich im Gegensatz zu meinen unzähligen Trainingsläufen gar keine Lust und wie es nun mal so ist, sollte man auf seinen Körper hören. Er sagt einem schon, was er benötigt, und wenn es nur die Lust auf etwas ist. Erst an der letzten Versorgungsstation griff ich dann zu zuckerhaltigen Getränken wie Cola und Energydrink, die mich für die letzten Kilometer nochmal richtig pushen sollten. Und siehe da, es hat echt geholfen. Die letzten 9 km nach der Versorgungsstation lief ich trotz einer anfänglichen Steigung von 2 km und anschließend hügeligem Gelände doch recht locker bis ins Ziel. (20:59) Mittlerweile bin ich sogar der Meinung, dass ich die 17,4 km noch hätte dran hängen und den Heldentrail über 64,9 Kilo- und 2.491 Höhenmeter hätte voll machen können

Schon vor der letzten Versorgungsstation überkamen mich zum ersten Mal die Emotionen. Dort wurde laute Partymusik gespielt und man wurde freundlichst Willkommen geheißen. Das erinnerte mich irgendwie an mein Zieleinlauf beim Bilstein-Marathon vor gut 2,5 Jahren und schon schossen mir die Tränen in die Augen. Obwohl noch 9 km zu gehen waren, war ich mir verdammt sicher, das Ding ohne größere Probleme zu rocken. Ich habe mich bei meinen Trainingsläufen und auch schon beim Bilstein-Marathon zu diesem Zeitpunkt oft sehr viel schlechter gefühlt und trotzdem habe ich es immer gepackt. Während und kurz nach dem Zieleinlauf war ich überraschend gefasst, aber später musste ich immer wieder mal ein Tränchen verdrücken. Selbst als ich Stunden nach dem Zieleinlauf mein Finishershirt abgeholt habe, war es wieder soweit. Selbst heute, drei Tage nach dem Lauf, rührt mich das Buch von Oliver und Frauke Stoll insbesondere durch meine Erfahrungen von diesem Lauf immer wieder zu Tränen.

Zieleinlauf
Kommen wir mal zum Ergebnis. Immer wieder habe ich von den magischen 5,5 Stunden gesprochen, die ich mir als Ziel gesetzt habe. Selbst als ich die Ergebnisse vom letzten Jahr sah, wo ich mit dieser Zeit 10. geworden wäre, ließ ich mich davon nicht abbringen. Nach meinen langen Trainingsläufen habe ich diese Zeit immer wieder prognostiziert, aber angesichts der Platzierung wäre ich mit einer Zeit von unter 6 Stunden schon hoch zufrieden gewesen. Über alles stand aber erstmal das Finishen und da war mir dann auch egal, ob ich dafür 5 oder 10 Stunden benötigte. Am Ende standen tatsächlich 5:29:57 h auf meiner Uhr und damit habe ich die Zeit noch akkurater hervorgesagt als beim Crosslauf "Rund um die Zinkspitze". Da hatte ich mit 1:30 h gerechnet und war nach 1:28:53 h im Ziel. Damals habe ich aber einfach nur mal ins Blaue geraten, da ich ja wirklich absolut keinen Vergleich hatte, und es wahrscheinlich pures Glück. Diesmal war es wohl schon etwas mehr sehr gute Einschätzung. Mit dieser Zeit wurde ich auch 18. von 115 Startern. 30 Läufer/innen sind gar nicht erst angetreten, was ich aber gerade erst gesehen habe. Bisher sprach ich immer von 144 Starter(innen)n, das muss ich hiermit wohl korrigieren. Das schmälert meine Leistung und meinen Stolz aber in keinster weise.

Wenn sich das nicht gelohnt hat?! Im Ziel gab es eine Tüte Nudeln für jeden Finisher.
47,05 km - 5:29:57 h - 2113 Höhenmeter



Den Pool in unserer wunderschönen Ferienwohnung von Familie Hauptmann in Frauenwald konnte ich leider nicht nutzen. Selbst die doch recht angenehme 26° C Wassertemperatur wollte ich meiner Muskulatur nach dem Ultratrail nicht antun. Kurz nach dem Lauf habe ich nämlich schon gemerkt, dass meine Waden langsam zu machen. Ich ließ mich zum ersten Mal massieren, bisher habe ich mich immer davor gedrückt. Ich wusste nämlich, dass das ganz schön weh tut, aber dass das so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht. Ich habe auf die Zähne gebissen und versucht so leise wie möglich das ganze Prozedere über mich ergehen zu lassen. Das Ergebnis war aber phänomenal. Meine Waden fühlten sich an, als wäre ich gerade nach 8 Stunden Schlaf aufgestanden, absolut kein Drücken, kein Ziehen, keine Schmerzen mehr. Auch der Muskelkater in den Oberschenkeln hielt sich die nächsten Tage in Grenzen. Sonntag wurde es im Laufe des Tages zwar immer schlimmer, aber ich hatte schon mit schlimmeren Muskelkater zu kämpfen.

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